FIFA-Präsident Gianni Infantino auf einem Berg Geld auf einem Fußballfeld (Montage) © imago/ulmer, fotolia

Football Leaks

Infantino unter Druck: Droht sogar ein Strafverfahren?

von der Football-Leaks-Redaktion des NDR

Die geheimen Pläne von FIFA-Präsident Gianni Infantino, die als Ausverkauf des Weltfußballverbandes gedeutet werden, schlagen hohe Wellen. Ein Schweizer Rechtsexperte hält juristische Schritte "wegen Untreue" für möglich. Während die Europäische Fußball-Union UEFA und DFB-Chef Reinhard Grindel eine umfangreiche Aufklärung fordern, wiegelt die FIFA ab.

Still und heimlich sollte der offenbar geplante Ausverkauf vonstatten gehen. Doch Gianni Infantino, der Präsident des Weltfußballverbandes FIFA, hat sich verspekuliert. Statt seinen 25-Milliarden-Dollar-Deal namens "Project Trophy" im Verborgenen abschließen zu können, ist der höchste Fußball-Funktionär nun in Erklärungsnot geraten. "Es ist wichtig, dass der FIFA-Präsident für Integrität, Transparenz und Compliance (Regeltreue, Anm. d. Red.) steht", sagt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel. Grund für die Kritik an dem im Frühjahr 2016 gewählten Infantino sind nicht mehr nur die Pläne für zweifelhafte Wettbewerbe, die mit Hilfe eines internationalen Konsortiums etabliert werden sollen, sondern mehr noch das öffentlich gewordene Vorhaben, sogar das "Tafelsilber" des Weltverbandes aus der Hand zu geben.

Größter Deal in der Geschichte des Weltsports

Umfangreiche Football-Leaks-Dokumente, die der "Spiegel" erhalten und mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC geteilt hat, haben die vielen Deals, Absprachen und Vorhaben des Schweizers bereits offenbart. Dabei galt der 48-Jährige in der Nachfolge des suspendierten Sepp Blatter als Hoffnungsträger der von Skandalen und Korruptionsfällen erschütterten FIFA. Doch nun aufgetauchte Unterlagen deuten darauf hin, dass Infantino dabei ist, auch lukrative Rechte des Weltverbandes zu verkaufen. "Den größten Deal in der Geschichte des Weltsports", nennen dies die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und der WDR. "Ein Geschäft, das die Entscheidung über Weltmeisterschaften, Senderechte und Internetvideos weitgehend an Investoren abtreten würde, fernab der nationalen Fußballverbände."

Grindel: "Alle Fakten auf den Tisch"

"Es kann nicht sein, dass jeden Tag über neue Gerüchte und Spekulationen gesprochen wird", sagt Grindel. Wie die Europäische Fußball-Union UEFA, die nach eigenen Angaben "keine Informationen über die aufgeworfenen Sachverhalte hat", schließt sich der DFB-Chef Rücktrittsforderungen nicht an: "Ich plädiere dafür, dass Infantino jetzt alle Fakten und Informationen auf den Tisch legt." Dazu wäre vor ein paar Tagen in Miami schon Gelegenheit gewesen. In Florida tagte die am 26. Oktober vom FIFA-Council in Ruandas Hauptstadt Kigali initiierte und von Infantino angeführte Task-Force, die über eine Club-WM mit 24 statt bisher sieben Mannschaften sowie eine zu gründende weltweite Nations League für Länderteams beraten soll.

Infantino wiegelt ab

Vor knapp einem Jahr hatte Infantino erstmals berichtet, dass Investoren bereit wären, für die nächsten zwölf Jahre 25 Milliarden Dollar für diese beiden Wettbewerbe auszugeben. Mehr Informationen gab der FIFA-Boss in Ruanda nicht. "Das ist doch alles nicht so dramatisch. Es ist doch nur Fußball", wiegelte Infantino vor der Presse ab. Das nun aufgetauchte Arbeitspapier beantwortet einige Fragen, vor allem zeigt es aber, dass Infantino wohl wieder nicht die ganze Wahrheit offenbart hat.

Spur führt auch nach Saudi-Arabien

Tatsächlich wurden der Investorengruppe wohl nicht nur die Club-WM und eine weltweite Nations League angeboten - inklusive Ausstiegsklausel - sondern laut Sportschau-Bericht annähernd alle Rechte und Vermögenswerte der FIFA. Das Papier ("Term Sheet") skizziert, wie sich der Fußballweltverband an die britischen Investmentberater SB Investment Advisers Limited (SBIA) und Centricus Partners LP binden soll. Hinter SBIA stecke der japanische Technikkonzern SoftBank, der enge Beziehungen zu Saudi-Arabien und dem staatlichen Fonds des Königreichs pflege. Centricus wiederum hat Anbindung an große weltweite Privatfonds, insbesondere aber an SoftBank - und gleichfalls arabische Anleger. Die Anfrage des NDR ließen SBIA und Centricus unbeantwortet.

FIFA würde fast alle Rechte verlieren

Und Infantino? Er wäre vorgesehen als Aufsichtsratschef einer neuen Firma, der FIFA Digital Corporation (FDC), die sich das Rechtepaket für 25 Milliarden Dollar einverleiben würde. Die FIFA würde 51 Prozent an der FDC halten, die Investorengruppe 49 Prozent. In den Verwaltungsrat der Firma könnten beide Parteien jeweils fünf Mitglieder entsenden - ein elftes müsste im Konsens bestimmt werden. Das Unternehmen käme in den Besitz so gut wie aller wichtigen Rechte des Weltverbandes: Digitales und Archivrechte, Filme und Videos, Satelliten- und Netzübertragungen, Merchandising und Spielrechte inklusive E-Sport, Produktionen in HD und in 3-D-Format, Computerspiele und sogar jedes Format, das irgendwann weltweit entwickelt wird. Die Rechte sollen auch dann bei der FDC verbleiben, falls sich die Investoren aus Club-WM und World League zurückziehen.

Verkauf würde auch vor WM nicht halt machen

Doch damit nicht genug. Auch die Fußball-Weltmeisterschaft, das ertragreichste Produkt der FIFA, wird in dem sogenannten "Term Sheet" erwähnt. "FDC behält sich das letzte Recht vor, Inhalt und geistige Eigentumsrechte an bestehenden und zukünftigen FIFA- und anderen Fußball-Turnieren, einschließlich der WM 2026, zu prüfen und weitere Rechte einzubeziehen, sobald bestehende Lizenzen von Dritten oder ähnliche bestehende Rechte auslaufen." Überdies erhalte die FDC das Recht, "gemeinsam mit der FIFA zukünftige Turniere zu schaffen und zu organisieren sowie deren Rechte zu vermarkten".

Juristen warnen - und verlassen die FIFA

Infantino äußert sich trotz Anfrage zu alledem nicht. Die FIFA antwortete in einer Stellungnahme ausweichend: "Dies ist nur ein Angebot, von einem Unternehmen, zu einem bestimmten Zeitpunkt und daher veraltet, und nur eins von hunderten, die in der FIFA im Umlauf sind." Dabei hat die eigene Rechtsabteilung die Pläne durch die damaligen FIFA-Chefjustiziare, Marco Villiger und Jörg Vollmüller, prüfen lassen. Auf 16 Seiten schätzten die Experten die Absichtserklärung des "Project Trophy" ein - und warnten vor unkontrollierbaren Kosten, Schadenersatzforderungen und einem Kontrollverlust der FIFA. Sie stellten eine Verletzung der FIFA-Statuten fest und überdies wettbewerbsrechtliche Probleme. Vor allem aber könne die neue Firma sogar die Auswahl der Gastgeberländer von FIFA-Turnieren bestimmen. Die Juristen sind übrigens nicht mehr beim Weltfußballverband beschäftigt.

Tognoni: "FIFA mit dem Presslufthammer zerstören"

"Mir ist unerklärlich, wie ein FIFA-Präsident auf solch eine Idee kommen kann. Ich habe den Eindruck, da will jemand die FIFA mit dem Presslufthammer zerstören", sagt der frühere Mediendirektor der FIFA, Guido Tognoni. "Ich weiß nicht, welcher Teufel den Infantino reitet. Was er sich davon erhofft, ist schwierig nachzuvollziehen. Ob er am Schluss finanzielle Interessen hat?"

Antikorruptionsexperte: Fall für die Ethik-Kommission

Der Schweizer Jurist Mark Pieth äußert sich in der Sportschau noch deutlicher. Eigentlich müsste die Ethik-Kommission des Verbandes tätig werden, wie sie es einst bei Sepp Blatter getan hat, sagt der Antikorruptionsexperte. Doch die damaligen Ethik-Chefs durften ihren Posten bekanntlich nicht behalten. "Das Problem ist, dass jemand ein Unternehmen, das er zu führen hat, finanziell aushöhlt, um sich selber dann zum Chef des Unternehmens zu machen, wo die ganzen Finanzen hingehen. Da riskiere ich ein Strafverfahren wegen Untreue. Wenn es mit rechten Dinge zuginge in dem Laden, könnte er nicht wiedergewählt werden."

Infantino strebt Wiederwahl am 5. Juni 2019 an

Dass Infantino eine weitere Amtszeit als mächtigster Mann im Weltfußball anstrebt, steht seit dem vergangenen Juni fest. "Ich werde mich wieder zur Wahl stellen", verkündete der Schweizer vor der WM in Moskau und blickte voraus: "Die finanzielle Zukunft sieht noch rosiger aus. Wir bringen die FIFA in eine neue Ära". Ob er das als Präsident weiterhin darf, entscheidet der FIFA-Kongress am 5. Juni 2019 in Paris.

 

Das NDR Recherche-Team zu "Football Leaks"

Katrin Kampling, Sven Lohmann, Hendrik Maaßen, Han Park, Nino Seidel, Birgit Wärnke

Hörfunk-Umsetzung
Moritz Cassalette, Holger Gerska, Hendrik Maaßen

Online-Umsetzung
Andreas Bellinger, Matthias Heidrich, Thomas Luerweg, Sebastian Ragoß

Dieses Thema im Programm:

Football Leaks | 19.11.2018 | 13:00 Uhr

Stand: 19.11.18 13:47 Uhr